Visionen für die Pfarrei 2040
„Kirchen und somit auch Pfarreien sollen Zeichen und Werkzeug für die Liebe Gottes in der Welt von heute sein.”
Dr. Georg Plank ist Pastoraltheologe und Gründer von „Pastoralinnovation”. Mit seinem Team unterstützt er Kirchen dabei, innovativer zu werden. Katharina Hauser sprach mit ihm über seine Arbeit, seine Erfahrungen mit pastoraler Innovation und seine Vision für die Pfarrei 2040.
Herr Dr. Plank, Sie sind Gründer von „Pastoralinnovation”. Was ist das und wie kam es dazu?
Plank: Ich durfte Kirche von vielen Seiten kennenlernen, von der Pfarrei über die kategoriale Seelsorge in anderen Ländern und Konfessionen, in Bewegungen und Orden und auch auf der diözesanen Leitungsebene. Dabei wurde mir immer wieder der Blick für die vielen Spielräume für Erneuerung geschenkt, die es in jedem System gibt. Ich lernte auch viel von der profanen Innovationsforschung und deren Werkzeuge. Das machte mir Mut zum Experimentieren, zur Teamwork und zu einem konsequenten Fokus auf Früchte im biblischen Sinne.
Die Kirche im deutschsprachigen Raum steht derzeit vor großen Herausforderungen. Oft wird von den „Zeichen der Zeit” gesprochen, auf die wir unseren Blick richten müssen. Wo sehen Sie solche Zeichen? Was ist die Not und der Ruf unserer Zeit?
Plank: Ich maße mir keine Generaldiagnostik an, möchte aber einige Aspekte benennen. Da ist zum Beispiel das ständige „zu viel, zu laut und zu schnell”, das es Menschen schwer macht, sich selbst, andere und Gott wahrzunehmen und lieben zu lernen. Gesellschaftlich ist das bunte Ineinander von Kulturen, Religionen und Lebensentwürfen eine unumkehrbare Realität, die es positiv und im pfingstlichen Geist zu gestalten gilt. Politisch kommen Demokratien in Bedrängnis, teils aus historisch bekannten Gründen, teils verschärft durch einen zügellosen Kapitalismus und unkontrollierte unsoziale Medien. Im Blick auf die Schöpfung entpuppt sich Habgier als alles Lebendige bedrohende Todsünde.
Auch bei der Weltsynode, die zur Zeit in Rom stattfindet, geht es um drängende Fragen der Zeit und die Erneuerung der Kirche. Sie steht unter dem Titel „Für eine synodale Kirche — Gemeinschaft, Teilhabe und Mission”. Wie können wir Synodalität heute leben, besonders auch im konkreten Pfarreialltag?
Plank: Die Zeit der „Wunderwuzzis” (aus dem Österreichischen: Alleskönner) ist vorbei! Innovation ist ein Teamsport. Das sieht man auch in der Wirtschaft oder bei Nobelpreisträgern. Je stärker sich Pfarreien oder kirchliche Gemeinschaften als Leib wahrnehmen und leben, desto besser werden sie die unterschiedlichen Begabungen fördern und die tiefe Verbundenheit miteinander ernst nehmen. Dabei kann man zum Beispiel aus der Konsensfindung lernen, die ja bei allen Konzilien eine große Rolle gespielt hat, wie es über eine bloße Mehrheit hinaus zu einem gemeinsamen Wollen und Vollbringen kommen kann. Bei jeder neuen Idee empfehle ich, erst dann anzufangen, wenn zumindest zwei oder drei Menschen begeistert und bereit sind, mitzumachen.
Sie sind im Oktober eingeladen, in Aicha v. W. über die Zukunft der Pfarrei zu sprechen. Was ist Ihre Vision von der Pfarrei der Zukunft? Wovon träumen Sie?
Plank: Kirchen und somit auch Pfarreien sollen Zeichen und Werkzeug für die Liebe Gottes in der Welt von heute sein. Sie haben also keinen Selbstzweck, sondern sollen den Menschen und der ganzen Gesellschaft dienen. Sie sollen wie Bäume sein, die Frucht bringen wie: Friede, Gerechtigkeit, Gemeinschaft und Barmherzigkeit. Dabei geht es in einer pluralen Gesellschaft und postvolkskirchlichen Wirklichkeit darum, die frohe Botschaft einfach zu leben und erlebbar zu machen. Erst wenn uns dann Menschen nach unseren Beweggründen fragen, können und sollen wir auch darüber reden.
Und wie können wir dorthin kommen?
Plank: Der Königsweg heißt voneinander zu lernen. Es gibt sowohl im kirchlichen als auch in gesellschaftlichen Bereichen viele Vorbilder, wie eine Organisation oder eine Gruppe lebendig und lebensnah wirken kann und welche Voraussetzungen dafür notwendig sind. Es muss niemand bei Null anfangen. Man muss jedoch ehrlich mit Diskrepanzen und blinden Flecken umgehen. Last but not least, bete ich täglich um die nötige Demut, auch von anderen etwas anzunehmen und zu lernen.
Katharina Hauser
Dr. Georg Plank ist am 15. Oktober Referent einer KEB-Veranstaltung in Aicha vorm Wald, die im Zusammenhang mit dem 4x4-Projekt des Referats für Neuevangelisierung organisiert wird. Sein Impulsvortrag „Pfarrei 2040” beginnt um 12 Uhr im Gasthaus Stauder. Die Veranstaltung beginnt mit einer Heiligen Messe um 10 Uhr. Damit auch junge Familien stressfrei teilnehmen können, wird eine Kinderbetreuung angeboten. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.
Das Projekt 4x4
Das Referat Neuevangelisierung möchte sich mit 16 Pilotpfarreien auf einen intensiven Weg der Erneuerung begeben. Die erste von vier Runden startete 2022 mit vier Pilotpfarreien. Das 4x4-Projekt ist ein Programm für Pfarreien, die sich den Fragen der Verkündigung im 21. Jahrhundert stellen:
- Wie können wir das Evangelium in unserer Gesellschaft lebendig verkünden?
- Wie können wir gemeinsam neu Kirche sein — mitten in der Welt?
Das 4x4-Programm erstreckt sich über drei Jahre und setzt den Fokus auf die Situation und die Herausforderungen vor Ort. Es ist keine fertige Schritt-für-Schritt-Lösung, sondern ein gemeinsames Suchen und Entwickeln — stets mit Blick auf innovative Projekte und fruchtbare Initiativen weltweit. Dr. Georg Plank begleitet die erste Runde des Projekts.
Beim Impulsvortrag „Pfarrei 2024“, den die KEB Passau gemeinsam mit der Pfarrei Aicha v. Wald und dem Referat für Neuevangelisierung organisiert hat, ging es um die Zukunft der Kirche.
Ein Sonntagsgottesdienst, der etwas anders war als gewöhnlich, erwartete die Pfarreimitglieder und Gäste in Aicha v. Wald, die am 15. Oktober in die Pfarrkirche gekommen sind. Denn der Gottesdienst fand im Rahmen einen Halbtages statt, der sich mit der Zukunft der Pfarrei beschäftigen sollte. Dieses Thema spiegelte sich auch im Gottesdienst wieder: Moderne Lobpreismusik, die eine neue Erfahrung des Glaubens bieten kann, Glaubenzeugnisse von Jung und Alt von verschiedenen Gemeindemitgliedern und Engagierten, ein Gebet zum Heiligen Geist für die Kirche im Großen wie im Kleinen vor Ort. Und am Ende lud der Pastoraltheologe Dr. Georg Plank in die benachbarte Gastwirtschaft Stauder ein, um über die Zukunft der Pfarrei zu sprechen. Rund 35 Personen kamen zum Impulsvortrag, einige aus Aicha, andere aus anderen Orten im Bistum, die Interesse am Thema zeigten.
Der Pastoraltheologe aus Graz hielt nach dem Kennenlernen und Mittagessen einen ausführlichen Vortrag über die aktuelle Situation der Kirche, die Herausforderungen und die Chancen für die Zukunft. Mit seinem Team von „Pastoralinnovation“ unterstützt er im deutschen Sprachraum Kirchen dabei, innovativer zu werden und hat dabei untersucht, welche Prinzipien wichtig sind, damit eine Pfarre gesund ist und bleibt, und wächst. Lebendige Pfarrei haben „gelernt, als Leib zu leben“ so Plank. Das bedeute, dass man sich miteinander und füreinander freut, und nicht neidisch ist. Man erkennt, dass man „in einem Boot sitzt“ und arbeitet je nach Fähigkeit und Neigung. Die Beziehungsqualität insgesamt spiele eine der zentralen Rollen in der Erneuerung: Gastfreundschaft sollte man auf allen Ebenen praktizieren und Beziehung auf allen Ebenen forcieren: persönlich, medial und digital. Zudem sei es nach Plank wichtig, fortlaufend zu lernen und konstruktiv zu vereinfachen sowie „Das Gute als Feind des Besseren“ zu entlarven.
Während und nach dem Vortrag gab es regen Austausch zwischen allen Anwesenden. Es war sichtbar: Das Thema bewegt und niemand hat die Musterlösung. Aber an diesem Tag konnten neue Impulse mitgenommen werden, um gemeinsam auf dem Weg zu bleiben.